Dieses Glossar enthält Definitionen und kurze Erläuterungen sowie Literaturhinweise zu Schlüsselbegriffen aus dem Bereich der Begabungs- und Leistungsförderung, die für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Projekt "Leistung macht Schule" eine tragende Rolle spielen. Darüber hinaus werden auch für den Projektkontext relevante Eigennamen erklärt. Autorinnen und Autoren sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsverbunds LemaS. Das Glossar ist alphabetisch sortiert und wird regelmäßig aktualisiert. 

  • Lehr-Lern-Labore

    Lehr-Lern-Labore (LLL) sind ein spezielles (meist seminaristisch angelegtes) Lehr-Lern-Format in der Lehrkräftebildung, in dem Lern- bzw. Förderaktivitäten von Schülerinnen und Schülern und die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden bereits im Studium sinnvoll miteinander verknüpft werden. 

    Im Unterschied zu Vorlesungen, Seminaren oder Übungen bieten die direkten Interaktionen zwischen Studierenden und Schülerinnen und Schülern in Lehr-Lern-Laboren die Möglichkeit, dass Studierende in komplexitätsreduzierten Lernumgebungen, je nach inhaltlicher Schwerpunktsetzung, Handlungskompetenzen und Professionswissen erwerben, die sie in zyklischen bzw. iterativen Prozessen vertiefen und in vielfältiger Weise anwenden können. Dabei werden in der Regel die Lern- und Förderaktivitäten der Schülerinnen und Schüler durch studentische Fragestellungen im Sinne des ‚forschenden Lernens‘ begleitet. 

    Der Ablauf einer LLL-Veranstaltung kann prototypisch wie folgt beschrieben werden (vgl. Abb. 1): 

    • a) Fachwissen sowie fachdidaktisches (Planungs-) Wissen werden mit den Studierenden erarbeitet und bilden die Voraussetzung für die Gestaltung einer Lernumgebung (Unterrichtsminiatur, ‚Schüler/innenlabor‘). 
    • b) Bei der anschließenden Durchführung mit Schüler/innen er­proben die zukünftigen Lehrpersonen Handlungsstrategien und sammeln Praxiserfahrungen. 
    • c) Parallel dazu beobachten Mitstudierende theoriegeleitet die Lehr-Lern-Situation. 
    • d) Während der anschließenden Reflexion überdenken die Studierenden strukturiert und theoriegeleitet ihre Praxiser­fahrungen. 
    • e) Dies bildet die Grundlage für die Adaption der Lernumgebung, die während einer zweiten Durchführung in der ‚Laborsituation‘ mit den Schülerinnen und Schülern in die Praxis umgesetzt wird.

     

    Abb. 1: Prototypisches Lehr-Lern-Labor-Modell (angelehnt an Rehfeldt et al., 2018)

    Weiterführende Literatur:

    Brüning, A., Käpnick, F.; Weusmann, B., Köster, H. & Nordmeier, V. (2019): Lehr-Lern-Labore im MINT-Bereich – eine konzeptionelle Einordnung und empirisch konstruktive Begriffskennzeichnung. In: B. Priemer & J. Roth (Hrsg.). Lehr-Lern-Labore - Konzepte und deren Wirksamkeit in der MINT-Lehrpersonenbildung (14-26). Heidelberg: Springer. 

    Dohrmann, R. & Nordmeier, V. (2019): Die Verknüpfung von Theorie und Praxis im Lehr-Lern-Labor-Blockseminar als Ausgangspunkt erster Professionalisierungsschritte. In: B. Priemer & J. Roth (Hrsg.). Lehr-Lern-Labore - Konzepte und deren Wirksamkeit in der MINT-Lehrpersonenbildung (191-208). Heidelberg: Springer.

    Rehfeldt, D., Seibert, D., Klempin, C., Lücke, M., Sambanis, M., & Nordmeier, V. (2018). Mythos Praxis um jeden Preis? Die Wurzeln und Modellierung des Lehr-Lern-Labors. Die Hochschullehre. Interdisziplinäre Zeitschrift für Studium und Lehre.  http://www.hochschullehre.org/?p=1068

  • Leistung

    Leistung meint sowohl die Leistungshandlung selbst (Engagement, Investition, Performanz) als auch deren Ergebnis. Es gibt eine Vielzahl von Leistungsdomänen, das heißt, dass Leistung in vielfältigen Kontexten und auf unterschiedliche Art erbracht werden kann.
    Überdurchschnittliche Leistungen werden zumeist in einer bestimmten Domäne erbracht; sie sind also oft domänenspezifisch. Leistung ist zudem dynamisch. So kann es längere oder kürzere Phasen besonderer Leistungsstärke und besonderen Engagements geben.Welche Domänen als Leistungsdomänen Beachtung finden, wird kulturell und sozial gesetzt bzw. ausgehandelt. Eine Voraussetzung dafür, dass eine Leistungsdomäne als solche definiert wird, ist die Existenz eines Gütemaßstabs, anhand dessen Leistungen bewertet werden können. Leistungsdomänen und Leistungsbewertungen sind damit nicht naturgegeben, sondern historisch, gesellschaftlich und kulturell konstruiert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines kritischen und reflektierten Umgangs mit dem Leistungsbegriff. In LemaS wird Leistung in einem erweiterten Sinn verstanden, der auch den personalen Lebensentwurf, die Persönlichkeitsbildung und die gestaltende Teilhabe an der (Schul-)Gemeinschaft und Gesellschaft miteinschließt.Der interdisziplinäre Forschungsverbund LemaS hat sich zu Beginn seiner Arbeit auf einen gemeinsamen Begabungs- und Leistungsbegriff verständigt und diesen im Austausch mit den beteiligten Schulen und der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Rahmen von "Leistung macht Schule" weiter diskutiert. Ein von allen Partnern geteiltes mehrdimensionales, entwicklungsbezogenes Begabungs- und Leistungsverständnis, das die Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler einschließt, bildet seitdem die Grundlage der gemeinsamen Arbeit. Das einheitliche Verständnis von Begabungs- und Begabtenförderung, Potenzial- und Talentförderung steht damit in direktem Zusammenhang.
    Weiterführende Literatur:Holling, H., Preckel, F., Vock, M., Roßbach, H.-G., Baudson, T. G., Gronostai, A., Kuger, S. &S chwenk, C. (2015). Begabte Kinder finden und fördern. Ein Wegweiser für Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer. Berlin: BMBF.Fischer, C., Fischer-Ontrup, C. (2018). Individuelle Begabungs- und Talentförderung in der Schule. In O.-A. Burow & S. Bornemann (Hrsg.), Das große Handbuch Unterricht & Erziehung in der Schule (S. 407–427). Köln: Wolters Kluwer.iPEGE (Hrsg.) (2009). Professionelle Begabtenförderung. Empfehlungen zur Qualifizierung von Fachkräften in der Begabtenförderung. H. 1. Salzburg: ÖZBF.Weigand, G. (2021). Begabung, Bildung und Person. In V. Müller-Oppliger & G. Weigand (Hrsg.), Handbuch Begabung (S. 46-64). Weinheim/Basel: beltz. 

  • Leitbild

    Schulische Leitbilder sind ein prägnanter Ausdruck des pädagogischen und institutionellen Selbstverständnisses einer Schulgemeinschaft. Sie bieten eine Orientierung für das pädagogische Handeln ebenso wie für das schulische Miteinander und sie erleichtern eine transparente Kommunikation und Kooperation nach innen und außen. 

    Leitbilder bestehen aus verdichteten Begriffen oder Sätzen, in denen die, vorzugsweise im Diskurs aller beteiligter Akteure gewonnenen, Wert- und Zielvorstellungen der jeweiligen Schule verdeutlicht werden. Diese werden idealerweise im Schulprogramm konkretisiert und in Maßnahmen  umgesetzt, damit sie in der Schulkultur verankert werden und eine nachhaltige Wirkung im schulischen Alltag erzielen.

    Die (Weiter-)Entwicklung des Leitbilds erfolgt i.d.R. in der Steuergruppe, unter Einbezug weiterer schulischer Akteure wie Schülerinnen und Schüler und Eltern. Unumgänglich ist dabei die kontinuierliche Einbindung der gesamten Schulgemeinschaft, um eine breite und nachhaltige Basis für das Leitbild zu gewinnen. 

    In LemaS dient die Leitbildarbeit der Vergewisserung einer Schule, inwieweit in ihr bereits die Potential- und Leistungsförderung in der pädagogischen Praxis und Schulkultur realisiert ist. Zudem unterstützt sie konkrete Schritte zur (Weiter-)Entwicklung und Etablierung einer begabungs- und begabtenfördernden Schule. Dieser Prozess wird durch eine formative Evaluation begleitet, um die Erfahrungen und Erkenntnisse wissenschaftlich aufzubereiten und in der Folge einer breiteren wissenschaftlichen und schulischen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

    Weiterführende Literatur:

    Kaiser, M., Maier-Röseler, M., Seitz, S., Weigand, G., Schwermann, A., Weiand, K. (2020): Leitbildentwicklung und die Gestaltung einer potenzial- und leistungsfördernden Schulkultur. In: G. Weigand u.a., (Hrsg.): Leistung macht Schule. Förderung leistungsstarker und potenziell besonders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler (S. 43-53). Weinheim/Basel: Beltz.


    Rolff, Hans-Günter (2016): Schulentwicklung kompakt. Modelle, Instrumente. Perspektiven (3. Auflage). Weinheim/Basel: Beltz.

  • Lernformat – Lernen im Format

    Nach Bruner sind Formate eingespielte, standardisierte Ablaufmuster von Handlungs- und Redeaktivitäten zwischen Kind und Erwachsenem. Als verabredete Ereignisse, die sprachlich geschaffen und immer wieder herbeigeführt werden können, stiften sie Orientierung und Sicherheit im Lernprozess, ermöglichen die Auseinandersetzung mit neuen Lerngegenständen und sind für den Spracherwerb von zentraler Bedeutung.

    Die lernbegleitenden Aktivitäten bieten den Lernenden im Sinne von Scaffolding ein ‚Gerüst‘, das sie in ihrer Zone der proximalen Entwicklung (Wygotski) unterstützt und begleitet. So lenkt das kompetente Gegenüber beim Sprachlernen die Aufmerksamkeit des Kindes auf einen handhabbaren Bereich und stellt sprachliche Modelle und Muster zur Verfügung, die dem Kind eine selbstständige Teilhabe am Diskurs ermöglichen. Mit dem Ziel der Autonomie wird das ‚Gerüst‘ im weiteren Lernprozess schrittweise zurückgenommen.

    Lernen im Format weist folgende Kennzeichen auf:

    • Es beruht auf Regeln und Routinen, z.B. in Form von wiederkehrenden kanonischen Sprachhandlungen oder eingespielten Ablaufmustern. 
    • Es bedarf einer zugewandten und unterstützenden Atmosphäre, in der Novizen sich verstanden und als Person akzeptiert fühlen können.
    • Es herrscht eine Asymmetrie hinsichtlich des Wissens der Partner. Erwachsene dienen als kompetente Andere, als Modell, Vorbild und Gerüst und unterstellen den Lernenden, Gesprächspartner/in im vollwertigen Sinn zu sein.
    • Formate betten Äußerungen in eine kulturelle Matrix ein, die durch sie zugleich (voraus)gesetzt und geschaffen wird. Die Lernenden lernen als Mitglied einer kulturellen Gemeinschaft dabei den Gebrauch von Sprache mit ihren spezifischen Regeln, Normen und Themen.

    In schulischen Gesprächen – wie dem Vorlesegespräch und dem Heidelberger Modell des Literarischen Unterrichtsgesprächs – eröffnen Formate die Möglichkeit, Gesprächsnormen und -formen transparent einzuüben und zugleich reflektierbar und modifizierbar zu machen.
    Weiterführende Literatur:

    Bruner, J. (1978). The Role of Dialogue in Language Acquisition. In A. Sinclair, R.J. Jarvella & W.J.M. Levelt (Hrsg.), The Child’s Conception of Language (pp. 241-256). Berlin & New York: Springer.

    Bruner, J. (2002). Wie das Kind sprechen lernt (2., erg. Aufl.). Bern: Huber.

    Steinbrenner, M. & Wiprächtiger-Geppert, M. (2010). Verstehen und Nicht-Verstehen im Gespräch. Das Heidelberger Modell des Literarischen Unterrichtsgesprächs. In: Leseforum Schweiz. Literalität in Forschung und Praxis (3), 1-15. https://www.leseforum.ch/sysModules/obxLeseforum/Artikel/434/verstehen-und-nicht-verstehen-im-gespraech.pdf (Abruf 12.10.2020).

  • Lernverlaufsdiagnostik

    Die Idee hinter dem Ansatz der Lernverlaufsdiagnostik ist, durch eine wiederholte Diagnostik Lernprozesse abzubilden und auf diese Weise eine aussagekräftige Informationsbasis für Förderentscheidungen bereitzustellen. 

    Um Lernprozesse erfassen zu können, ist es notwendig, dass bei den wiederholten Messungen jeweils äquivalente Tests in kurzem zeitlichem Abstand durchgeführt werden. Lernverlaufsdiagnostik dokumentiert die Wirksamkeit unterrichtlicher Angebote und gibt Lehrpersonen ein Feedback, ob mit ihrer aktuellen Unterrichts- und Förderpraxis erwünschte Effekte erzielt werden. Theoretisch ist Lernverlaufsdiagnostik damit dem Konzept des formativen Assessment zuzuordnen. In der Praxis liegen viele unterschiedliche Ansätze zur Umsetzung der Idee von Lernverlaufsdiagnostik vor. 

    Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Lernverläufe sich in deutlichem Maße unterscheiden. So finden sich neben dem (erhofften) individuellen Fortschritt auch ein Stagnieren oder gar ein Abfallen von Lernleistungen über ein Schuljahr hinweg. Diagnostische Informationen zu individuellen Lernverläufen stellen hier eine wichtige Information dar, um frühzeitig auf ein solches Stagnieren oder Abfallen reagieren und geeignete Unterstützungsmaßnahmen planen zu können.

    Weiterführende Literatur:

    Hasselhorn, M., Schneider, W. & Trautwein, U. (Hrsg.). (2014). Lernverlaufsdiagnostik (Tests und Trends N. F. Band 12). Göttingen: Hogrefe.

    Hebbecker, K. & Souvignier, E. (2016). Lernverlaufsdiagnostik zur Unterstützung für individuelle (Begabungs-)Förderung: internetbasierte Lernverlaufsdiagnostik mit dem System quop. Journal für Begabtenförderung, 16, 29-38.

    Souvignier, E., Förster, N. & Zeuch, N. (2016). Lernverlaufsdiagnostik. In K. Seifried, S. Drewes & M. Hasselhorn (Hrsg.), Handbuch Schulpsychologie (S. 140-149). Stuttgart: Kohlhammer.

  • Lernwerkstatt

    Eine Lernwerkstatt lässt sich als vorbereitete Lernumgebung definieren, die Lernprozesse initiiert, jedoch so wenig wie möglich Anweisungen und Anleitungen beinhaltet, d.h. möglichst instruktionsarm ist (VeLW 2009). Dabei wird Lernen als ergebnisoffener und dynamischer Prozess angesehen, bei dem der Lernende selbst im Fokus steht. Die Lernwerkstattarbeit kann als Form des nonformalen und nonformellen Lernens bezeichnet werden, die Parallelen zum entdeckenden bzw. forschenden Lernen aufweist.

    Zentrale Elemente der Lernwerkstattarbeit sind die Lernumgebung, der/die Lernende und die Lernbegleitung, wobei die pädagogische Interaktion zwischen Lernenden und Lernbegleitung zentral ist. Die Lernenden stehen mit ihren persönlichen Interessen, Vorerfahrungen und eigenen Fragen im Fokus. Die Lernbegleitung bereitet thematischen-orientierte Lernumgebungen vor und übernimmt während der Lernwerkstattarbeit die Rolle eines/r empathischen Forschungspartners/in. Die Lernenden befassen sich selbstständig und selbstverantwortlich einzeln oder in Gruppen mit einer selbstgewählten Fragestellung und werden dabei mit Impulsen, Hilfestellungen und/oder der Lernbegleitung beim Lernprozess unterstützt. Damit wird die Grundlage gelegt, die individuellen Lernprozesse auch gemeinsam zu reflektieren und den Lernenden bewusst zu machen. 
    Diese Art der Auseinandersetzung an selbstgewählten Fragestellungen eignet sich besonders gut im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Derzeit wird die Lernwerkstattarbeit noch nicht systematisch im Unterricht umgesetzt, an außerschulischen Lernorten wird der Aspekt der MINT-Begabungsförderung im Primar- und Sekundarbereich im Kontext von Lernwerkstattarbeit dagegen bereits häufiger angewendet und wissenschaftlich begleitet, wie etwa im Kinder- und Jugendforscherzentrum HELLEUM (Renger, Theisselmann & Wedekind 2019).

    Weiterführende Literatur:

    Huber, L. (2009). Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In L. Huber, J. Hellmer & F. Schneider (Hrsg.), Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen (S. 9 – 36).  Bielefeld: Universitätsverlag Webler.

    Renger, A., Theisselmann, O. und Wedekind, H. (2019). MINT-Bildung im Kontext der Lernwerkstattarbeit – Was wir in der MINT-Bildung voneinander lernen können. In LernortLabor- Bundesverband der Schülerlabore e.V. (Hrsg.), Schülerlabor-Atlas 2019 – Schülerlabore im deutschsprachigen Raum (S.58-63). Kiel: 

    VeLW (Hrsg.) (2009). Positionspapier des Verbundes europäischer Lernwerkstätten (VeLW) e.V. zu Qualitätsmerkmalen von Lernwerkstätten und Lernwerkstattarbeit. Berlin.

    Wagenschein, M. (2009). Naturphänomene sehen und verstehen. Gentische Lehrgänge. Lehrkunstdidaktik. 4. Aufl., Bern: hep. 

    Wedekind, H. (2006). Didaktische Räume – Lernwerkstätten, Orte einer basisorientierten Bildungsinnovation. gruppe & spiel H4/2006, 9 - 12. 

  • Lesson Study-Methode

    Lesson Study ist eine Methode der kooperativen Unterrichtsentwicklung, die einerseits das Lernen von Schülerinnen und Schülern in den Mittelpunkt stellt und andererseits den kollegialen Austausch zwischen Lehrpersonen fördert. 

    Ein Team von drei bis sechs Lehrpersonen plant gemeinsam eine Unterrichtsstunde, die ein Thema adressiert, in dem sich das Team weiterentwickeln möchte. Im nächsten Schritt wird diese Unterrichtsstunde von einer Lehrperson durchgeführt. Die Teamkolleginnen und -kollegen hospitieren in dieser sogenannten „Forschungsstunde“ und beobachten dabei das Lernverhalten ausgewählter Kinder in Hinblick auf die Wirkung des entwickelten Stundenkonzepts. Anschließend werden die Beobachtungen ausgewertet, erklärt und diskutiert. Die Auswertungsdiskussion bietet einen Rahmen, um gemeinsam über überraschende Beobachtungen zu sprechen, mögliche Missverständnisse der Kinder aufzuarbeiten oder Erwartungshaltungen gegenüber gewissen Schülerinnen und Schülern zu reflektieren. Die hier neu gewonnenen Erkenntnisse und Handlungsoptionen werden für die Weiterentwicklung des Unterrichtskonzepts genutzt; Lösungsansätze können im nächsten Lesson Study Prozess erprobt werden. 

    Durch diese iterativen Schritte bietet die Lesson Study-Methode eine Möglichkeit der kollegialen professionellen Weiterentwicklung von Lehrpersonen im Hinblick auf ihr Fachwissen, ihre Einstellungen und Haltungen, sowie ihr Wissen über das Lernverhalten von Schülern und Schülerinnen. Dabei hebt sich die Lesson Study-Methode von anderen Formen der Unterrichtsentwicklung, wie z. B. Professionelle Lerngemeinschaften, insofern ab, dass bei der Hospitation nicht die unterrichtende Lehrperson im Fokus steht, sondern der Blick auf die Lernprozesse der Kinder gelenkt wird. Durch das gemeinsame Planen der Stunde tragen alle Teamkolleginnen und -kollegen eine gemeinsame Verantwortung für das Stundenkonzept. Verbindend ist ebenso, dass im Lesson Study Prozess relevante Themen und Fragen, die Lehrende im Schulalltag oft alleine bewältigen müssen, zusammen als Team adressiert und erforscht werden. 

    Weiterführende Literatur:

    Dudley, P. (2014): Lesson study: A handbook. Lesson Study UK www.lessonstudy.co.uk Fifth Edition. (First published 2003 by NCSL.) Zugriff am 19.11.2020. Verfügbar unter http://disde.minedu.gob.pe/bitstream/handle/123456789/5017/Lesson%20Study%20a%20Handbook.pdf?sequence=1&isAllowed=y.

    Knoblauch, R. (2019): Beobachtung und Dokumentation von Lernaktivitäten in der Lesson Study. In: C. Mewald & E. Rauscher (Hrsg): Lesson Study. Das Handbuch für kollaborative Unterrichtsentwicklung und Lernforschung (S. 49-76). Innsbruck: Studienverlag.

    The Lesson Study Group at Mills College. (2018). Zugriff am 19.11.2020. Verfügbar unter https://lessonresearch.net.

  • LUPE

    Als Akronym steht LUPE für „Leistung unterstützen, Potenziale entdecken“. LUPE ist der Projekttitel des LemaS-Teilprojekts 20.  

    Die richtige Einschätzung des Potenzials und Leistungsstands einer Schülerin oder eines Schülers durch Lehrpersonen ist eine wichtige Voraussetzung für einen binnendifferenzierten, begabungs- und leistungsgerechten Unterricht. Lehrereinschätzungen der Schülermerkmale führen darüber hinaus zu bestimmten Erwartungen an diese Schülerinnen und Schüler, die dann wiederum deren weitere Entwicklung beeinflussen können. Übergeordnetes Ziel des Projekts LUPE ist daher die Unterstützung der schulischen Entwicklung leistungsstarker und potenziell hoch leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler über die Förderung der diagnostischen Kompetenzen ihrer Lehrpersonen (Pädagogische Diagnostik). Projektbasis ist die interdisziplinäre Erarbeitung eines Talententwicklungsmodells mit spezifischem Bezug zu den Fächern Mathematik und Sachunterricht (Bereich Natur und Technik). Darauf aufbauend werden theoriebasiert fachspezifische Materialen entwickelt, in der Praxis erprobt und formativ evaluiert, die Grundschullehrpersonen dabei unterstützen, aktiv und strukturiert nach Leistungspotenzialen bei Schülerinnen und Schülern zu suchen und diese zu finden.