Dieses Glossar enthält Definitionen und kurze Erläuterungen sowie Literaturhinweise zu Schlüsselbegriffen aus dem Bereich der Begabungs- und Leistungsförderung, die für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Projekt "Leistung macht Schule" eine tragende Rolle spielen. Darüber hinaus werden auch für den Projektkontext relevante Eigennamen erklärt. Autorinnen und Autoren sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsverbunds LemaS. Das Glossar ist alphabetisch sortiert und wird regelmäßig aktualisiert. 

  • Akzeleration

    Akzeleration ist ein Sammelbegriff für solche schulischen Fördermaßnahmen, die Tempo und Dauer von Unterrichtsangeboten an die Lernmöglichkeiten schneller lernender Schülerinnen und Schüler anpassen. Die Schülerinnen und Schüler können durch diese Maßnahmen Teile des Lehrplans früher beginnen oder schneller durchlaufen als es für ihre Altersgruppe vorgesehen ist.  

    Bekannte Formen der Akzeleration sind die vorzeitige Einschulung, das kürzere Verweilen in der flexiblen Eingangsstufe der Grundschule (z. B. nach dem ersten Schuljahr Vorrücken in das dritte Schuljahr) oder das Überspringen einer Klassenstufe. Eine Variante zum Überspringen einer Klasse ist die Teilnahme am Unterricht in einer höheren Jahrgangsstufe in nur einem Fach. Das Ziel besteht bei diesen Maßnahmen darin, schneller lernenden und vom Unterricht unterforderten Schülerinnen und Schülern für sie passende Lernumgebungen und Aufgabenstellungen zu ermöglichen.

    Akzelerationsmaßnahmen haben starke Wirkungen auf die Schülerinnen und Schüler, wie die wissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten zeigt. Insbesondere die Leistungsentwicklung intellektuell begabter und leistungsstarker Schülerinnen und Schüler kann mit Akzeleration sehr intensiv gefördert und Unterforderung beendet werden. Zugleich zeigen empirische Studien aber auch, dass Akzeleration durchaus auch Risiken birgt, insbesondere das Überspringen einer Klassenstufe. In jedem Einzelfall muss das Vorgehen daher sorgfältig abgewogen werden. Bei massiver und chronischer Unterforderung in der Schule ist Akzeleration eine oft sehr hilfreiche, manchmal auch notwendige Intervention im Sinne erster Hilfe, um etwa zu vermeiden, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Lernmotivation verlieren oder sich von der Schule abwenden. Auch in diesen Fällen sollte die Akzeleration jedoch nur ein Baustein in einem umfassenderen Förderkonzept sein, das weitere Förderangebote (z. B. Enrichment) enthält.

    Da es sich bei der Akzeleration um starke Eingriffe in die Schullaufbahn von Schülerinnen und Schülern handelt, ist ein pädagogisch gut geplantes und sorgfältiges Vorgehen geboten, das neben intensiver Beratung und einer standardisierten psychologischen Diagnostik auch eine längerfristige Begleitung des Prozesses erfordert.
     Weiterführende Literatur:Vock, M. (2021). Schneller durch die Schule? Effekte, Gelingensbedingungen und Risiken von Akzelerationsmaßnahmen. In V. Müller Oppliger & G. Weigand (Hrsg.). Handbuch Begabung (S. 319-332). Weinheim: Beltz.

    Gronostaj, A., Werner, E., Bochow, E. & Vock, M. (2016). How to learn things at school you don’t already know. Experiences of gifted grade skippers in Germany. Gifted Child Quarterly, 60, 31–46.Heinbokel, A. (2009). Handbuch Akzeleration. Was Hochbegabten nützt. Münster: LIT Verlag.Hessisches Kulturministerium (2014). Kluge Köpfe entdecken – beflügeln – fördern. Handreichung zum Überspringen. Wiesbaden: Landesschulamt und Lehrkräfteakademie. (https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/hkm/kluge_koepfe_entdecken_-_befluegeln_-_foerdern.pdf).

  • Angebotsplattform

    Online-Plattform, auf der die LemaS-P³rodukte aus der ersten Phase der Initiative bzw. weiter- oder neu entwickelte digitale Weiterqualifizierungsangebote in der zweiten Phase zur Verfügung gestellt werden. Sie soll zudem der Vernetzung der beteiligten schul- und länderseitigen Akteurinnen und Akteure dienen. 

  • Anschlussfähigkeit

    Unter Anschlussfähigkeit wird verstanden, dass alle an einem Übergang beteiligten Institutionen und Personengruppen für den Transitionsprozess eine gemeinsame „Bildungs-“ bzw. „Übergangsphilosophie“ entwickeln. 

    Die Leitidee dieser Philosophie besteht darin, dass die Übergänge „Kita – Grundschule“ und „Grundschule – weiterführende Schule“ für Kinder bestmöglich bewältigt werden können, wenn die Fach- bzw. Lehrpersonen ein gemeinsames Bild vom Kind haben und pädagogische Konzepte auf der Grundlage einer gemeinsamen (begabungsfördernden) Lernkultur entwickeln. Das bedeutet insbesondere eine kindorientierte Perspektive in Bezug auf alle zu meisternden Übergangsprozesse sowie die Schaffung entsprechender kooperativer Strukturen und Kommunikationswege zwischen allen beteiligten Institutionen und Personengruppen (Kinder, Eltern, Fach- und Lehrpersonen, …). Das Sieben-Ebenen-Modell veranschaulicht, auf welchen Ebenen die beteiligten Personengruppen zusammenfinden, gemeinsam kooperieren und agieren können. 

    Mit diesem Begriffsverständnis erfolgt bewusst eine Abgrenzung vom (traditionellen) Begriff der „Schulfähigkeit“ bzw. der „Schuleignung“, die insbesondere mit Hilfe von Testungen bei Kindern nachgewiesen wird.

     
    Weiterführende Literatur:

    Fuchs, M. (2015). Alle Kinder sind Matheforscher. Frühkindliche Begabungsforschung in heterogenen Gruppen. Seelze: Klett-Kallmeyer.

     

    Griebel, W., Niesel, R. (2015). Übergänge verstehen und begleiten. Transitionen in der Bildungslaufbahn von Kindern. Berlin: Cornelsen Scriptor.

     

    Käpnick, F. (Hrsg.); Fuchs, M.; Makl-Freund, B.; Mürwald-Scheifinger, E.; Spreitzer, Ch. (2020). Mathe-Asse in der ersten Klasse. Begabungen früh erkennen und fördern: ein Leitfaden mit indikatoraufgaben und Beobachtungsbögen. Hamburg: AOL-Verlag.

     

  • Attribution

    Die Attribution bezeichnet die Zuschreibung von Ursachen zu Ereignissen, etwa zu Leistungsergebnissen. 

    Wie erklärt sich ein Kind zum Beispiel eine gute Leistung oder einen Erfolg? Zieht es als Erklärung die eigene hohe Fähigkeit und Anstrengung heran oder denkt es, dass es einfach Glück hatte oder dass die Aufgabe einfach war? Und wie erklärt sich ein Kind eine schlechte Leistung oder einen Misserfolg? Lag es an der eigenen mangelnden Fähigkeit und Anstrengung oder denkt das Kind, dass es einfach Pech hatte oder dass die Aufgabe zu schwer war? Attributionen können auf vier verschiedenen Dimensionen klassifiziert werden: (1) als internal oder external,
    (2) als stabil oder veränderbar,
    (3) als kontrollierbar oder unkontrollierbar und
    (4) als global (und damit situationsübergreifend) oder situationsspezifisch.  Eine dauerhaft einseitige Attribution von Ereignissen und Erlebnissen auf diesen Dimensionen kann negative emotionale und motivationale Folgen haben. So ist eine überwiegend externale Attribution von Erfolg problematisch, da in diesem Fall kein Stolz über die eigene Leistung erlebt werden kann und somit keine weiteren Leistungsanstrengungen motiviert werden. Eine überwiegend internale Attribution von Misserfolg ist problematisch, da sich dies negativ auf das akademische Selbstkonzept auswirken kann. Eine überwiegend externale Attribution von Misserfolg kann jedoch dazu führen, dass die eigene Anstrengung bei Misserfolg nicht erhöht wird. Werden Ursachen negativer Ereignisse oder Misserfolge als global, unkontrollierbar und stabil angesehen, erzeugt dies ein Gefühl der Hilflosigkeit. Solche ungünstigen Attributionsstile können verändert werden (z. B. durch Interventionen wie Reattributionstrainings). 

    Weiterführende Literatur:Grassinger, R. (2019). Leistungsattributionen und attributionales Feedback. In M.-C. Vierbuchen & F. Bartels (Hrsg.), Erfolgreiches Feedback – Wie kann Feedback in Schule und Unterricht unterstützend wirken? Stuttgart: Kohlhammer.

    Stiensmeier-Pelster J., & Heckhausen H. (2018). Kausalattribution von Verhalten und Leistung. In J. Heckhausen & H. Heckhausen H. (Hrsg.), Motivation und Handeln (S. 451-492). Berlin, Heidelberg: Springer.